Törnberichte

SY INSCHALLAH In 21 Tagen von der YS Elba zur HYS

[HYS: Hanseatische Yachtschule, Glücksburg], ohne Verfasserangabe

In das Buch der Rekorde wollte er mitnichten kommen, wohl aber gut, sicher und schnell nach Glücksburg – so müssen die unterschwelligen Gedanken des Skippers Felix, dessen von Winter-feld, etwa gewesen sein. Oder wußte er, daß dieser Blaue Peter am 10. Mai den wirklich allerletzten Redaktionsschluß hatte? Wie dem auch sei – fest steht nunmehr, heute am 11. Mai 1983, daß diese neueste DHH-Yacht, die zukünftige NORDSEE, nach langen Jahren im Mittelmeer gut, schnell (sehr schnell) und relativ unversehrt in ihre (alte) neue Heimat zurückgefunden hat! „Relativ“ unversehrt deswegen, weil (schiffe ruhig weiter, wenn der Mast auch bricht…) die Über-führungsreise am Sonntag, dem 27. März, an der YS Elba zwar gut begonnen hatte, aber in Höhe Almería kam am 6. April der Großmast durch Bruch oberhalb der Saling herunter. Skipper war zu diesem Zeitpunkt der Voreigner der Yacht, Wolfgang Andreae, der einige Tage vorher seinen Sohn Volker Andreae in gleicher Funktion abgelöst hatte. Ein relativ glücklicher Umstand, da, wenn jemand das Schiff genau kannte, dann „Andreae der Ältere“. Dreizehn Tage mußte die Yacht in Almería eine Zwangspause einlegen, um den Mast zu schäften und das Schiff wieder voll einsatzbereit für den größeren Teil der Reise zu machen. Skipper Felix von Winterfeld wurde nach Almería beordert, übernahm Schiff und Verantwortung, regelte alles in Verbindung mit Schul-leiter Atze Lehmann, dem erneut in schwieriger Situation die Aufgabe der Besorgung und Lenkung oblag – kooperativ und zügig, unter Überwindung aller Schwierigkeiten – das neue HYS-Schiff zu versorgen.

Eine gute und glückliche Zeit für die neue Yacht des HYS! Übrigens INSCHALLAH heißt auf Deutsch „So Gott will“.

Ohne Verfasserangabe: SY INSCHALLAH – In 21 Tagen von der YS Elba zur HYS, in: Der Blaue Peter, Nr. 3, 1983, S. 18.

Eine große Dame. Unsere neue NORDSEE (HYS)

Peter Trampe

Schiffe zu beschreiben und zu vergleichen, ist eine der ältesten Sachen der Welt. Jeder von uns kennt das Auf und Ab der Meinungsbildung über den benutzten „schwimmenden Untersatz“, oft liebe-voll auch „Dampfer“ genannt, wobei es völlig gleichgültig ist, ob es sich um eine kleine Jolle handelt oder um eine gelegentlich auch ohne Segel (wie ein Dampfer) mit Maschinenkraft fahrende Yacht.

Peter Trampe, DHH-Vorstandsmitglied für Öffentlichkeitsarbeit, schreibt über das neue Schiff aus eigener Anschauung. Er hat den Überführungstörn der SY (ex) Inschallah vom 4.5. (Brest) bis 11.5. (Glücksburg) mitgesegelt. Die alte NORDSEE (ex GERMANIA V) kannte er gut u.a. als Wach-führer auf der Atlantiküberquerung Frühjahr 1982 unter Skipper H.A. Bernhardt.

Die SY INSCHALLAH fordert zum Vergleich mit ihrer Vorgängerin geradezu heraus. Natürlich, denn sie bekommt den Namen unserer langjährigen „alten Dame“, unserer vielgeliebten und -be-fahrenen SY NORDSEE ex GERMANIA V. Diese Grande Dame steht zwar noch ausgezeichnet im Zeug, könnte aber den härtesten Schlägen der hohen See nur nach erneutem gründlichen body lifting standhalten. Das geht aber bekanntlich immer über die Grenzen normaler Kalkulationen hinaus.

Es darf gesagt und von jedem Interessenten selbst erfahren werden, wie sehr unsere neue NORD-SEE die Tradition der Großen Dame fortzusetzen in der Lage ist. Ihr Erbauer und Vorbesitzer hatte ihr den Namen INSCHALLAH III (zu Deutsch: So Gott will) gegeben, unter dem sie auf allen Meeren, die sie kreuzte, sehr schnell bekannt und geachtet wurde. Schön sollte sie sein, woll-ten ihre Väter, der Eigner und Entwerfer gemeinsam mit dem Erbauer De Dood in Bremen – schnell sollte sie sein und dennoch auch der Besatzung Raum bieten. Genau das tat sie von Anfang an. Als jedoch eine neue Klassifikation eingeführt wurde, war sie mit 17,8 t bei 16,2 m Länge, 4,50 m Breite und 2,60 m Tiefgang um ein weniges zu groß für die Klasse der schlanken Nur-Renner. So zeigte die schöne Schnelle allen Konkurrenten zwar meist ihr Heck, wurde aber durch die Ver-rechnung nach hinten gesetzt.

Würden heute unsere nun drei neuen, großen Yachten, GLÜCKSBURG, FLENSBURG und NORDSEE, im Hafen der Hanseatischen Yachtschule nebeneinander liegen – was nicht wün-schenswert wäre, da sie mit unseren Mitgliedern in See sein sollen –, dann wäre ihre Ähnlichkeit augenfällig. Sloop mit einem Mast alle drei, die NORDSEE mit 26 m höher als die anderen. Die Ähnlichkeit mit den modernen Admiral’s Cuppern ist unverkennbar, aber nur ein Symptom und kein Programm. Wir sind und bleiben ein Ausbildungsverband mit dem Schwerpunkt seiner Tä-tigkeit auf hoher See. Die Gründung unserer DHH-Regatta-Gruppe im Jahre 1982 ist keine Trendwende, sondern eine zusätzliche Leistung für die vielen unserer Mitglieder, die an Regatten teilnehmen wollen und entweder nicht in einem Segelklub zusätzlich Mitglied sind oder unter DHH-Stander starten wollen. Auch der Wunsch nach Ausbildung oder Vervollkommnung als Regattasegler wird in besonderen Angeboten der Hanseatischen Yachtschule erfüllt und ist unse-rem Jahresprospekt zu entnehmen. Die Ausbildung steht auch hier im Vordergrund, die Teil-nahme an Regatten ist nicht Selbstzweck, sondern für den interessierten Einzelnen die Freude an der Bestätigung eigener Seemannschaft.

Die von uns in letzter Zeit neu erworbenen vier Schiffe (einschließlich der SY MISTRAL der Yachtschule Elba) sind keine Rennziegen und auch nicht als solche gedacht. Als moderne Yachten und neuere Konstruktionen erfüllen sie unsere Ansprüche als Touren-Fahrzeuge für mittlere und längere Seetörns mit vielseitigen Möglichkeiten der Ausbildung und Seemannschaft. Jeder See-mann auf einem Segelschiff hat sich schon immer gefreut, wenn er auf See einen anderen aussegeln konnte, schneller am Ziel war und seine Bemühungen in Fahrt umgesetzt sah. Dieses Ergebnis war unseren Crews des Überführungstörns der neuen NORDSEE von Elba nach Glücksburg unter den verschiedensten Bedingungen lebhaft zuteil geworden.

Im Sinne nahtloser Übergabe war ihr Voreigner Wolfgang Andreae (NRV) bzw. zunächst sein Sohn Volker für den ersten Teilabschnitt von Elba bis Malaga als Skipper eingeteilt worden. Wilhelm v. Georg fuhr als Schiffsführer. Der Crew wurde von dem stürmischen Mittelmeer gleich von Elba bis Bonifacio nichts geschenkt. Die Kreuz begann von dort ab, bis Mallorca hatte der ab-schiednehmende Skipper ausführlich Gelegenheit, die Vielzahl seiner Vorsegel jeder Regung und Änderung des Windes anzupassen. Mit Bewunderung registrierte die Crew die Tatsache von 28° Höhe am Wind. Solche flotte Fahrt mit einem im Boden flachen und verrundeten Rumpf bei schräg nach hinten angesetztem Kiel ergibt bei entsprechenden Wellen das ganz ähnliche Einsetzen in die See, wie es unsere früheren NORDSEE-Fahrer von dieser alten Dame her zur Genüge kennen.

Eine Liegezeit von 14 Tagen in Almería begann mit dem Crewwechsel und der Übernahme der Schiffsführung durch Hans-Dietrich von Winterfeld, unserem allseits bekannten und erfahrenen Segellehrer Felix aus Glücksburg. Er und sein Schassi Hans-Jürgen Zahlten besserten mit einer äußerst einsatzwilligen Crew aufgetretene Schäden aus, kauften unter Führung des Meister-Smutje Ulrich Hinkfuß aus Westerland („Käpt’n Hahn“) die richtigen Weine, Säfte und Lebens-mittel, um mit zwei Wochen Verspätung gegen den ursprünglichen Plan wieder in See zu stechen.

Wer vom Mittelmeer in den Atlantik will, weiß, wovon jetzt die Rede ist, von der Kreuz gegenan. Wie zumeist, waren also westliche Winde und der Schwall aus dem großen Teich in die kleine Wanne die Hindernisse, die der Skipper und seine Crew durch Emsigkeit und Kreuzen bis vor die Küste Afrikas überwinden mussten. Bis Cap S. Vicente an der Südwestspitze Portugals war es mühsam, die NORDSEE zeigte alle ihre Künste, haute streckenweise kräftig rein, blieb aber an Oberdeck eigentlich recht schön trocken und zeigte sich als gutes Schiff für ihre Crew. Auf Nord-kurs war es dann geschafft. Der Wind kam aus Südwest, blies stetig, die See schob, und der Dampfer zeigte, wie schnell er mit jedem seiner Segel laufen kann. Wahrscheinlich wäre die Crew am liebsten gleich bis Glücksburg durchgesegelt, aber ein jeder hat ja neben dem Segeln an Bord zumeist noch eine gewisse Beschäftigung, die leider einen Kameraden zum Aussteigen und damit zum kurzen Anlaufen in Vigo zwang. Der Wind blieb dem Schiff treu, und die fleißige Crew be-schloß, gleich noch die Biskaya mitzunehmen und bis Brest zu segeln. In knapp zwei Tagen wurde dieses so oft gefürchtete Stück bewältigt und mit Brest bereits der Absprung zum Kanal erreicht. Außer dem Skipper und dem Schassi konnten Hennes Schmalenbach aus Lüdenscheid und Ulli Hinkfuß aus Westerland zur Freude der Ergänzungscrew Volker Preßler und Peter Trampe aus Hannover an Bord bleiben, und mit nur noch sechs Mann wurde der letzte Teil der Reise gesegelt. Von Brest bis Glücksburg waren die Schleusen in Brunsbüttel und Holtenau die einzigen Anlege-punkte, wohlweislich den stetig von achtern kommenden Wind und gute Wetterlage ausnutzend.

Wurde der Wind mal flau oder kam gar nicht, dann offenbarte die NORDSEE auf der Nordsee die für Kenner unserer älteren DHH-Yachten ungewohnte Erfahrung selbst dann noch merkbare Fahrt von 2 oder 3 oder gar 4 kn zu machen, wenn der Wind eigentlich gar nicht zu sehen oder zu spüren war. Die Alte Dame hätte sich dabei jedenfalls geziert, überhaupt dem Ruder zu ge-horchen.

Schulleiter Lehmann würdigte bei der Begrüßung die Leistung des Skippers von Winterfeld, die Verspätung von 14 Tagen auf drei Tage reduziert zu haben. Durch den 2. Vorsitzenden, Wilhelm von Georg, drückte der DHH-Vorsitzende Helmut Bastian dem Skipper und den als Besatzung beteiligten Mitgliedern Dank und Anerkennung für die geleistete Arbeit aus.

So konnte nun unsere neue NORDSEE schon in Kürze ihre Törns von Glücksburg aus auf-nehmen. Jedes unserer Mitglieder, insbesondere die Damen, sind eingeladen und offensichtlich für diese moderne und handliche Yacht prädestiniert, ihre Schönheit und Vorzüge zu entdecken. Sie ist anders als unsere alte NORDSEE, aber es lohnt sich, sie zu entdecken, ihre guten Seiten kennenzulernen. Ganz zweifellos gehören dazu die große Zahl angenehmer Kojen und bequemer Staumöglichkeiten für persönliche Ausrüstung, zwei vorzügliche Nasszellen mit guten Wasch-becken und Duschen, sofern die Länge des Törns den Verbrauch von Süßwasser ermöglicht, und Toiletten, deren Benutzung auch den Nicht-Techniker deutlich erleichtert.

Das Kartenhaus hat einen guten Kontakt zum Cockpit und zum Rudergänger, dessen Arbeit auf diesem Schiff zwar an einem modernistischen Ruderrad erfolgt, aber schon nach kurzer Zeit die angenehmen Seiten einer kurstreuen, sehr direkt und leicht zu steuernden Yacht offenbart. Manchmal hat man fast das – gar nicht schlechte – Gefühl, eine riesengroße Jolle zu steuern, nur eben per Rad und mit einem Turm von Mast und über 500 qm Segeln, wenn die ganze bunte Wäsche gefahren wird. Skipper Felix und Schulleiter Atze werden aber zweifellos noch sortieren, welche der zahlreichen Hemden im Trousseau bleiben, und auf welche eine schnelle Tourenyacht ohne Verlust verzichten kann. „Fury“, die riesige Genua von fast 150 qm, wird sicherlich auch allen künftigen Crews erhalten bleiben.

Das Arbeiten an Deck, selbst auf dem Vorschiff, ist angenehmer als woanders. Fallen und Schoten sind gut angeordnet, auf schnelle und leichte Bedienbarkeit. Auch Nicht-Muskelprotze können durch gute Übersetzungen meistern und bewältigen, was sie in den Griff kriegen wollen. Die anfangs noch fremde Hydraulik der Stagen erweist sich als gutes Hilfsmittel neuzeitlicher Unter-stützung.

Kurzum, dieses Schiff ist eine Dame. Sie hat deren liebenswerte und deren zu beachtende Eigen-schaften. Sie will gut behandelt werden und eine aufmerksame Besatzung haben. Denen wird sie dann aber auch schöne Erlebnisse und Freude schenken, sie nach getaner Arbeit angenehm in den Schlaf wiegen und außerordentlich vorzeigbar sein, wohin man auch mit ihr kommt. Jeder erfahre das selbst! Allzeit glückliche Fahrt der neuen NORDSEE für Schiff und Besatzung!

Peter Trampe: Eine große Dame. Unsere neue NORDSEE (HYS), in: Der Blaue Peter, Nr. 4, 1983, S. 24-25.

Probesegeln nach Anholt und Kopenhagen im Juli 2021

Als die Kaufentscheidung für die UNIQUE näherrückte, bat ich den Voreigner um einen Termin-vorschlag zum Probesegeln. Die überraschende Antwort lautete: „Die Segeleigenschaften dieser Yacht sind so gut, das können wir uns sparen. Lesen Sie doch einfach mal die Regattaberichte!” Soviel Selbstbewusstsein konnte nicht unbegründet sein, so dass erst im Frühjahr 2021 – nach dem Kauf – Möglichkeit bestand, sich mit der UNIQUE vertraut zu machen und erste Trimm-schläge zu unternehmen. So gesehen war der dieser Törn nach Anholt und Kopenhagen gewisser-maßen ein Probesegeln, um die UNIQUE bei unterschiedlichen Windverhältnissen und auf allen Kursen ausgiebig zu testen.

Am 14. Juli 2021 legten wir um 14 Uhr in der Marina Wendtorf ab. Wir segelten doubled-handed, nur der Bordingenieur Sascha Tordai und ich, mit Kurs auf Fünen. Bei NO 4-5 konnten wir pla-nen, den Eingang in den Kleinen Belt noch vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. Aufgrund der bisherigen Erfahrungswerte schien es nicht zu optimistisch, die etwa 40 Seemeilen mal eben am Nachmittag zurückzulegen. Einen Schnitt von 8 Kn. konnten wir aufgrund des allmählich ab-flauenden Windes jedoch nur in den ersten Stunden halten, so dass wir erst gegen 19 Uhr Fyns Havn querab hatten. Als der Wind schließlich vollkommen einschlief, nahmen wir die Segel weg und motorten zu einem sehr gut geschützten Ankerplatz südlich der kleinen Insel Illum, die Fünen südwestlich vorgelagert ist. Am folgenden Tag kreuzten wir bei NW 4 den Kleinen Belt auf. Auf der Höhe von Middelfart setzten in der Meerenge 1,5 Kn. Strom gegenan. Nach dieser Passage ließen wir südwestlich der Landzunge von Trelde Næs den Anker fallen.

Es folgte ein gemächlicher Tag mit Bft. 3 aus NW. Bei halbem Wind mit Kurs auf Samsø erwies sich UNIQUE als äußerst kursstabil und nur minimal luvgierig. Für eine dreiviertel Stunde be-obachteten wir fasziniert, wie das Schiff den Kurs allein hielt. Die Abweichung von der Kurslinie nach Luv oder Lee betrug selten mehr als 5 Grad. Auch am Wind oder raumschots lag UNIQUE sehr gut im Ruder und war mit sehr wenig Kraftaufwand wie bei einer Servolenkung kinderleicht zu steuern.

Am Spätnachmittag nahm der Wind deutlich zu, so dass wir es vorzogen, nicht durch die enge Rinne in den Hafen von Ebeltoft einzulaufen, sondern in der gleichnamigen Bucht zu ankern. Dort warteten wir die beiden folgenden Starkwindtage ab und genossen das Bordleben, bevor wir an der markanten Insel Hjelm vorbei Kurs auf die mitten im Kattegat liegende Insel Anholt nahmen.

Der Ankerplatz in der Pakhusbucht an der Südküste von Anholt wurde bei morgens auffrischen-dem Wind immer unruhiger. Von beiden Seiten umlief der Schwell das Eiland und baute in der abends noch so ruhigen Bucht Kabbelwasser auf. So hieß es denn schon um 7.00 Uhr „Anker auf!” und Kurs Kopenhagen. Bei NW 6 hatten wir erstmals einen Vorwindkurs. Nur mit der kleinen Genua erreichten wir einen Schnitt von 8,5 Kn., und auf langgezogenen Dünung waren es talwärts 10 Kn.

Selbst bei schräg von achtern anrollender See erforderte das Gegensteuern keinen großen Kraft-aufwand. Zum einen liegt bei diesem Kurs der Segeldruckpunkt sehr weit vorn, zum anderen wirkte das auf fast zwei Meter verlängerte Ruderblatt einem Ausbrechen entgegen. Nach nur zwölf Stunden rauschender Fahrt erreichten wir um 19.00 Uhr den am nördlichen Stadtrand Kopenhagens gelegenen Tuborg Havn. Es ist ein sehr moderner Hafen, an dem sich der tradi-tionsreiche Königliche Dänische Yachtclub befindet, und der in mir Erinnerungen an die Regatten mit den 12mR-Yachten weckte. Am Folgetag unternahmen wir unter Motor eine große Hafen-rundfahrt bis zum Admiralitätshafen am Stadtzentrum, wo wir zu einem Landgang kurz fest-machten.

Das nächste Ziel waren die Kreidefelsen der Insel Møn. Dort ankerten wir auf der Fünf-Meter-Linie, um die eindrucksvolle Kulisse als Hintergrund für einige Fotos und Videos von UNIQUE zu nutzen.

Auf der letzten Etappe hatten wir stets Wind von vorn, denn bei S 2 zog sich die Küste von Falster lang hin. Nach Erreichen der Gedser Odde nahm der Wind zwar auf 3-4 zu, aber er drehte auf NW und zwang uns zu einem langen Hole-Schlag weit in die Mecklenburger Bucht, bis wir den Kurs in den Fehmarn Belt anliegen konnten. So hatten wir als Sahnehäubchen zum Schluss noch eine Nachtfahrt. Am 24. Juli 2021 um 8.00 Uhr morgens legten wir – gerade rechtzeitig zum Arbeitsbeginn – im Wendtorfer Hafen an.

UNIQUE hatte im Sommer 2021 noch eine veraltete Navigationselektronik ohne Plotter. So arbeiteten wir klassisch mit papiernen Seekarten und Kursdreiecken, dabei kam ganz gelegen, dass in den vertrauten küstennahen Gewässern eine Navigation nach Sicht oftmals ausreichte. Wir waren nicht die einzigen Segler, die sich mühten, im Kleinen Belt nach Norden, im Öresund nach Süden und im Fehmarn Belt nach Westen voranzukommen. Wo wir auch waren, tauchten in schneller Folge immer neue Boote vor uns auf, die mal in Luv und mal in Lee überholt werden wollten. So stand am Ende dieses Probesegelns die Erkenntnis, dass bei durchaus wechselhaften Bedingungen während des zehntägigen Törns niemals ein Segler von hinten aufkam. Der Vor-eigner hatte recht: Die Segeleigenschaften sind hervorragend.

Justus F. Richter

Die Ruhe vor dem Sturm Eine Wag-Halse 2023

Bereits Mitte Oktober 2023 gab es deutliche Sturmwarnungen. Das Zeitfenster vom 16.-18. Okto-ber 2023 zum Absegeln zu nutzen, erschien uns nicht zu waghalsig. Auch wenn es sich bei UNIQUE um eine Hochseeyacht handelt, ist die Ostsee nicht zu unterschätzen. Auf Vorsicht be-dacht galt es, sich nicht zu weit vom sicheren Heimathafen zu entfernen. Außerdem entschieden wir, an den ersten beiden Tagen möglichst viel Höhe gegen den aus östlicher Richtung angesagten Sturm zu gewinnen, um ihn notfalls ablaufen zu können.

Am 16. Oktober 2023 legten wir, Robert Quentin, Uwe Heine und ich, um 11.15 Uhr in Mölten-ort ab. Quentin hatte in diesem Jahr bereits den Atlantik überquert und war im Begriff, ein Kapi-tänspatent zu erwerben. Bei idealem Wind NW 4-5 hatten wir bereits um 15.00 Uhr die Südspitze Langelands querab. Es wäre ein Leichtes gewesen, in dem bei dieser Windrichtung glatten Wasser, den Langeland Belt hochzulaufen. Aufgrund der Maßgabe, dass wir Richtung Osten und nicht nach Norden segeln wollten und wegen des angepriesenen Thunfischsalats à la Quentin, ließen wir fünf Seemeilen nördlich von Keldsnor den Anker fallen.

Am zweiten Tag rauschten wir bei W 4-5 quer durch den Fehmarn Belt. Es gab wie gewohnt viel Schiffsverkehr und kreuzende Schnellfähren auf der Vogelfluglinie. In Verbindung mit dem neuen Sperrgebiet für den Tunnelbau und den riesigen Offshore Windparks auf der dänischen Seite ist der Fehmarn Belt kein ideales Segelrevier. Um 16.00 Uhr hatten wir den Leuchtturm Staberhuk an der Ostspitze Fehmarns querab und bereiteten das Hafenmanöver vor. Wir liefen den Fischerei-hafen Burgstaaken an, da der Yachthafen nicht tief genug ist. Eher spontan und zufällig gingen wir am Steg der Yachtwerft längsseits. Die Mitarbeiter der Werft hatten schon Feierabend, so dass keine Gelegenheit bestand, die Erlaubnis einzuholen, hier über Nacht liegen zu dürfen. Manchmal ist es mit einem großen Schiff leichter, einen Liegeplatz zu finden als mit einem kleinen.

Am 18. Oktober vollzog sich die angesagte Änderung des Windsystems: Zunächst ließ der West-wind nach, so dass wir in der Ruhe vor dem Sturm bei W1-2 sogar von Burgstaaken bis westlich Puttgarden motoren mussten. Navigator Quentin hatte von dort den Kurs direkt auf die Kieler Förde abgesetzt. Zugegeben, das Todendorfer Sperrgebiet war von Osten kommend nicht ohne weiteres als solches erkennbar. Ein Schnellboot der Bundesmarine forderte uns auf, das Gebiet sofort Richtung Norden zu verlassen. Als es am gelben Tonnenstrich entlang wieder westwärts ging, setzte sich der angekündigte Ostwind durch. Bei Bft. 4-5 hatten wir bald Kiel Leuchtturm erreicht und den Heimathafen bei allmählich zunehmendem Wind vor Augen. Bei der Ankunft in Möltenort um 19.00 Uhr lag der Pegel schon deutlich über dem mittleren Wasserstand. Überall waren Wassersportler damit beschäftigt, ihre Boote zu sichern.

FOTO UNIQUE am überfluteten Steg

Am 19. Okt. nahm der Ostwind weiter zu. Der Wasserstand lag 20 cm unter dem Steg, so dass ich zur besseren Lastverteilung noch zwei zusätzliche Vorleinen auf Slip anbringen konnte, die wie alle Festmacher von Bord aus gefiert werden können. Am 20. Okt. traf die schwere Sturmflut die schleswig-holsteinischen Ostseeküste. Die stärksten Schäden mit hunderten beschädigten oder ge-sunkenen Yachten entstanden in Schilksee, Strande und Damp. In der Abdeckung am Kieler Ost-ufer zeigten die Instrumente Windstärke 11 an, und die Stege wurden knietief überflutet, aber die Schäden hielten sich in Grenzen. Der Eigner entschied sich, an Bord zu bleiben, um die Leinen mit den steil gewordenen Zugwinkeln an den Wasserstand anpassen zu können. Der Kapitän geht bekanntlich als Letzter von Bord.

Justus F. Richter